Intensive Begegnungen gegen das Vergessen

Anfang Mai besuchten die Schüler aller neunten Klassen der Realschule zusammen mit ihren Klasse- und Geschichtslehrkräften die KZ Gedenkstätte Natzweiler/ Struthof im Elsaß.
Rottweil – Dachau, Buchenwald Auschwitz …. Drei Namen, die fast jeder schon einmal gehört hat. Daneben werden jedoch oft die vielen relativ kleinen Konzentrationslager vergessen, die es auch in Baden Württemberg und dem Elsaß gab. Gerade in Rottweil, wo mit den Lagern in Zepfenhan und Schömberg und dem Schieferabbau im Eckerwald KZs in unmittelbarer Nähe errichtet wurden, spielt dieser Umstand eine wichtige Rolle. Die Erinnerung an die grausamen und menschenverachtenden Geschehnisse der Nazizeit wachzuhalten ist die Intention dieser im Jahresplan fest verankerten Gedenkstättenfahrt.
Als im Frühjahr 1944 die alliierten Luftangriffe die Treibstoffproduktion des deutschen Reichs gefährdeten, kamen die Nazis auf die Idee, aus dem Schiefergestein der schwäbischen Alb Ölschiefer zu gewinnen. Hierfür wurden insgesamt zehn Konzentrationslager errichtet. Viele der hier schuftenden Zwangsarbeiter wurden aus dem KZ Stammlager Natzweiler/ Struthof entsendet, das die Nazis ab 1941 in den Vogesen errichtet hatten. Die Häftlinge in diesen Lagern stammten aus verschiedenen europäischen Ländern, wobei die größte Gruppe die Polen, Franzosen und Russen bildeten. Mehr als 52.000 Zwangarbeiter mussten durch die „Hölle in den Vogesen“ gehen.
Beim Besuch der Gedenkstätte erfuhren die Schüler anhand von Berichten der Häftlinge vieles über die Schikanen der Aufseher, den ständigen Hunger, die Brutalität des Alltags. So war der stundenlange morgendliche und abendliche Appell eine reine Schikane der Wärter. Das Essen in Form von dünnen Suppen und Brot gepaart mit der harten Zwangsarbeit im Steinbruch sorgte für Unterernährung, Erschöpfung und Krankheiten. Schläge und willkürliche Strafen waren die Regel. Die Gefängnisbaracke sowie die Krankenbaracke, wo auch Menschenversuche durchgeführt wurden, sind noch vollständig erhalten. Sehr emotional ist der Anblick des Krematoriums, in dessen Ofen unzählige unter den grausamen Lebensbedingungen gestorbene oder ermordete Zwangsarbeiter verbrannt wurden.
Für viele Schüler stellte sich immer wieder die Frage, wie und ob man dieser Hölle entkommen konnte. Die ebenfalls noch vollständig erhaltenen Wachtürme, die ständige Ausleuchtung des Geländes sowie die Zäune, die damals unter Stromspannung standen zeigten eindringlich, dass Fluchtversuche aussichtslos waren.
Ernüchternd stand die Erkenntnis am Ende des Besuchs, dass es auch 2025 noch Diktaturen auf dieser Erde gibt, die mit genau diesen Methoden Wiederstand gegen ihre Herrschaft zu unterdrücken versuchen. So ist diese Studienfahrt auch ein Plädoyer für Bedeutung eines Lebens in Demokratie auf der Basis der Menschenrechte für alle Menchen.
Genau eine Woche später besuchte mit Marek Dabrowski der Sohn eines ehemaligen KZ Häftlings die Realschule Rottweil. Eingehend schilderte er die Lebensstationen seines Vaters Eugeniusz Dabrowski, der als Jugendlicher zusammen mit seiner Familie in Warschau inhaftiert wurde, da sie einem jüdischen Jungen ein Versteck geboten hatten. Eugenuisz Dabrowski überlebte als 16-Jähriger die grauenvollen Lager von Auschwitz, Struthof und Dautmergen und wurde am Ende in Dachau von den Alliierten befreit. Brutalität, härteste körperliche Arbeit und andauernder Hunger prägte das Überleben in allen Lagern. Er erlebte, wie viele seiner Mitgefangenen an Entkräftung, an Typhus und an den Misshandlungen starben. Er selbst litt noch sein ganzes Leben lang an starken Kopfschmerzen, die von den Prügeln der SS Wärter mit dem Gewehrkolben herrührten.
So lange es ihm gesundheitlich möglich war, reiste er selbst jedes Jahr nach Rottweil, um in den Schule aus seinem Leben zu berichten. Marek Dabrowski betonte, dass es auch im Sinne seines verstorbenen Vaters sei, seine Geschichte weiter an die junge Generation zu geben, um mit dafür zu sorgen, dass dieser schreckliche Abschnitt der Geschichte nicht vergessen wird. Ein Dank galt neben Marek Dabrowski auch der Initiative Gedenkstätte Eckerwald, die durch ihr Engagement eine derart intensive Begegnung mit den Kindern der Überlebenden der Konzentrationslager für die Schüler erst möglich macht.